10 sehenswerte Industriedenkmäler der Republik (Teil 2)

Sie sind wahre Zeugnisse vergangener Kulturgeschichte, imposante Kathedralen der industriellen Revolution. Gerade im Zuge des Strukturwandels der Schwerindustrie und Montanindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg rückte die Industriegeschichte als schützenswerte kulturelle Leistung – über den rein ästhetischen Wert der Ingenieurskunst hinaus – in den Blickpunkt der Denkmalpflege. Über die Jahre entdeckte man – zuerst visuell, später experimentell – dass in Europa eine Vielzahl von Industriedenkmälern mit einer zeittypischen Industriearchitektur existiert, die unbedingt erhalten werden mussten. Typische Beispiele waren und sind das Ruhrgebiet und das Saarland mit Zeugen der Montanindustrie, der sehr stark vom Maschinen- und Fahrzeugbau geprägte Raum Chemnitz-Zwickau, Katalonien, Nordengland, Ostfrankreich und Norditalien mit Textil- und Maschinenbauindustrie.

In unserem mehrteiligen Spezial präsentieren wir Ihnen – oder sagen wir besser, empfehlen wir Ihnen – besondere Leuchttürme vergangener Epochen der Industriegeschichte, die heute beispielhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Ein Besuch lohnt hier zu jeder Jahreszeit. Weiter geht es mit dem 2. Teil.

Historischer Wasserturm in Zittau

Foto: Guido Radig/CC BY 3.0

Das Zittauer Wasserturmensemble (Oberlausitz, Landkreis Görlitz) ist baugeschichtlich und technikgeschichtlich von hoher Bedeutung. Das Gründerzeitgebäude mit seinen beiden Bauten, mit zyklopisch verlegtem Bruchsteinmauerwerk, wird auch „Senator-Just’sche Anlage“ genannt. Das zwölfeckige Hochwasserreservoir mit kuppelförmigen schmiedeeisernem Dach samt barockem Löwenrelief stammt von den Bildhauern Johann Gottlob Anders und Gottfried Jäch und stammt aus den Jahren 1717 bis 1719. Das Reservoir war ursprünglich der Hauptschmuck des 1828 abgebrochenen Webertores. Die Stadt Zittau entnahm bis 1864 das Trinkwasser aus Brunnen und hölzernen Leitungen. Im selben Jahr wurde der zwölfeckige Wasserturm errichtet.

Alter Kranen (Würzburg)

Foto: Welleschik/CC BY-SA 3.0

Am rechten Mainufer, westlich der Juliuspromenade, wurde der Alte Kranen – ein barocker Hafenkran mit Doppelausleger – 1773 auf dem nach ihm benannten Kranenkai in Würzburg errichtet. Hierbei handelt es sich um einen Steinturmtretkran, eingebaut in die Eckbastion der Uferbefestigungsanlage als kegelstumpfförmiger Rundbau. Im Gegensatz zu den Kränen in Andernach am Rhein und Trier an der Mosel, die 350 beziehungsweise 497 Jahre und 126 Jahre im Einsatz waren, war der Alte Kranen nur 73 Jahre lang bis 1846 in Betrieb und wurde dann durch einen Eisenkran 50 Meter mainabwärts ersetzt, der 1922 ebenfalls seinen Betrieb einstellte. Den Zweiten Weltkrieg überstand der Alte Kranen mit seinem völlig intakten Mechanismus unbeschadet, obwohl Würzburg dabei zu mehr als 80 Prozent zerstört wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts kam er kurzfristig nochmals zum Einsatz – zum Verladen von Bauholz. Der Alte Kranen als herausragende Flussufermarke misst außerdem den Mainpegel von Würzburg und ist mit einer Pegellatte und Hochwassermarken versehen.

AEG-Turbinenfabrik Berlin

Foto: Oana Popa/CC BY-SA 4.0

Die von Peter Behrens geplante und 1909 fertiggestellte AEG-Turbinenfabrik im Berliner Ortsteil Moabit wurde von der AEG zur Fertigung von Dampfturbinen für Kraftwerke gebaut. Die Turbinenhalle gehört auch außerhalb Deutschlands zu den bekanntesten Bauten der Industriearchitektur. Heute fertigt die Division Power and Gas des Siemens-Konzerns hier Gasturbinen. Bemerkenswert ist, dass dort immer noch das Produkt hergestellt wird, für welches das Werk ursprünglich errichtet wurde. Das Gebäude steht seit 1956 unter Denkmalschutz und wurde 1978 restauriert. An der Huttenstraße (Südseite) befindet sich ein Schild des damaligen Eigentümers Kraftwerk Union mit Daten zum Bau, Architekten, Denkmalschutz und zur Restaurierung.

Die bereits bestehenden Berliner AEG-Fabriken wie die Werke Acker- und Brunnenstraße, waren im Stil des Historismus gebaut und meist als „zinnenbewehrte Stadtburgen“ bekannt, in denen die aufstrebende Elektrotechnik unter einem altbackenen Mantel versteckt wurde. Mit der Vorgabe, im großen Stil einen eindrucksvollen und kultivierten Bau zu entwerfen, schuf Peter Behrens eine neue Industriearchitektur, die sich nicht mehr hinter historisierenden Fassaden versteckte.

Dampfmaschinenhaus für Sanssouci

Foto: A.Savin/FAL

Das in Potsdam an der Neustädter Havelbucht befindliche, ehemalige Dampfmaschinenhaus für Sanssouci – auch „Pumpenhaus“ oder „Moschee“ genannt, entstand auf Wunsch König Friedrich Wilhelm IV. in den Jahren von 1841 bis 1843 unter Leitung von Ludwig Persius zum Betrieb der Großen Fontäne vor dem Schloss Sanssouci. Das Ensemble ist eines der Historischen Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland und stellt ein herausragendes Beispiel für Orientalisierende Architektur dar. Das Dampfmaschinenhaus wurde 1842 mit einer Zweizylinder-Dampfmaschine der Borsigwerke ausgestattet. Die Dampfmaschine war die stärkste dieser Art in Deutschland. Die ursprüngliche Dampfmaschine wurde nach 50 Jahren zuverlässigen Betriebs stillgelegt, bevor sie 1895 von einer neuen, stärkeren Dampfmaschine mit 160 PS (118 kW) Leistung abgelöst wurde. Seit 1937 wurde diese durch zwei elektrisch betriebene Kreiselpumpen ersetzt, die seit 1992 durch Mikroprozessoren gesteuert werden.

Heute erhält neben den Parkanlagen auch der aus einer Reviergärtnerei hervorgegangene Botanische Garten Potsdam weiterhin Havelwasser vom Becken auf dem Ruinenberg. Im September 1985 wurde das Dampfmaschinenhaus als Museum und Technisches Denkmal der Öffentlichkeit übergeben. Die ursprüngliche noch erhaltene Dampfmaschine wird zu den Öffnungszeiten durch einen Elektromotor in Bewegung gesetzt. 2007 wurde das Pumpenhaus für die Auszeichnung als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland nominiert.

Sayner Hütte

Foto: Rolf Kranz/CC BY-SA 4.0

Die Sayner Hütte ist ein ehemaliges Hüttenwerk in Bendorf. Sie liegt im Stadtteil Sayn am gleichnamigen Flüsschen und wurde in den Jahren 1769–1770 im Auftrag des Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus von Sachsen durch den Berginspektor (Inspektor im Bergbauwesen) Heinrich Daniel Jacobi, Vater von Gottlob Jacobi, errichtet. Die gesamte Anlage mit historischer Gießhalle (1828–30) samt Hochofen und Flügelbauten wurde 1926 stillgelegt. Das heutige Industriedenkmal war Teil einer Reihe von Bendorfer Hütten und im 19. Jahrhundert neben Berlin und Gleiwitz eines der bedeutendsten Eisengießereien in Preußen. Die Sayner Hütte ist ein geschütztes Kulturdenkmal und in der Denkmalliste des Landes Rheinland-Pfalz eingetragen. Sie liegt in Bendorf in der Denkmalzone Sayner Hütte.

Das Land Rheinland-Pfalz hatte 2012 zusätzlich die Aufnahme in die nationale Tentativliste beantragt, damit die Sayner Hütte als UNESCO-Welterbe eingetragen hätte werden können. Des Weiteren ist die Sayner Hütte ein geschütztes Kulturgut nach der Haager Konvention und mit dem blau-weißen Schutzzeichen gekennzeichnet. Anfang 2011 entschied das Land Rheinland-Pfalz, die Sayner Hütte mit 3,8 Mio. Euro zu unterstützen. Bis zum Jahre 2014 wurde die Hütte auf vorbildliche Weise saniert.

Rendsburger Hochbrücke

Foto: VollwertBIT/CC BY-SA 3.0

Die zwischen 1911 und 1913 erbaute Rendsburger Hochbrücke überspannt den Nord-Ostsee-Kanal und dient als Eisenbahn-Brücke, außerdem trägt sie (aufgrund einer Havarie im Jahr 2016 derzeit nicht) eine angehängte Schwebefähre für den Fußgänger- und Fahrzeugverkehr, die ebenfalls unter Denkmalschutz stand. Audfgrund der großen Schäden der Schwebefähre muss diese durch einen Neubau ersetzt werden. 2020 soll dieser fertig sein. Die Hochbrücke ist Wahrzeichen der Stadt Rendsburg und eines der bedeutenden Technikdenkmäler in Deutschland. Am 22. September 2013 wurde sie von der Bundesingenieurkammer als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland ausgezeichnet. Direkt unter der Brücke befindet sich die Schiffsbegrüßungsanlage Rendsburg. Die Brücke war 99 Jahre lang die längste Eisenbahnbrücke in Deutschland.

Die Rendsburger Hochbrücke wird in der autobiografischen Erzählung „Alle Toten fliegen hoch: Amerika“ von Joachim Meyerhoff erwähnt im Zusammenhang mit den Fäkalien, die jahrzehntelang aus den offenen Toiletten der Reisezugwagen auf die unter der Brücke gelegenen Grundstücke herabrieselten. Die Situation änderte sich erst ab dem Jahr 2000 infolge des „Fäkalienprozesses“, der von einem Anwohner der ebenfalls am Nord-Ostsee-Kanal gelegenen Hochbrücke Hochdonn gegen die Deutsche Bahn angestrengt worden war.

Museumspark Rüdersdorf

Foto: Steffen Zahn/CC BY 2.0

Der Museumspark Rüdersdorf ist ein großes Freilicht-Industriemuseum in Rüdersdorf bei Berlin, welcher die Gewinnung und Verarbeitung von Kalkstein aus dem Rüdersdorfer Kalkberg dokumentiert. Nur an wenigen Stellen tritt in der norddeutschen Tiefebene Kalkstein an die Erdoberfläche. Der Rüdersdorfer Kalkberg ist das größte Kalksteinvorkommen in Norddeutschland. Der Rüdersdorfer Kalkstein, als Werkstein und als Branntkalk oder zu Zement verarbeitet, war neben den Ziegeln aus der Mark Brandenburg der wichtigste Baustoff für die Metropole Berlin. Imponierend ist die Schachtofenanlage, die von 1874 bis 1967 für die Branntkalkherstellung genutzt wurde. Die Ofenhalle, auch als Kathedrale des Kalks bezeichnet, ist Ausstellungsobjekt und Veranstaltungsraum. Auch als Filmkulisse ist dieser Museumsteil beliebt. Die Ausstellungshalle informiert umfassend über Kalksteinvorkommen und -nutzung, die Geologie, Mineralogie und Fossilienkunde von Rüdersdorf und die Geschichte des Kalksteinabbaus in Rüdersdorf.

Schiffshebewerk Lüneburg

Foto: Walter Rademacher/CC BY-SA 3.0

Das Schiffshebewerk Lüneburg gehört zur nördlichen der beiden Kanalstufen der Bundeswasserstraße Elbe-Seitenkanal, für den das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Uelzen zuständig ist. Der Elbe-Seitenkanal verbindet die Elbe bei Artlenburg mit dem Mittellandkanal bei Edesbüttel westlich von Wolfsburg. Das Hebewerk wurde 1974 als damals weltgrößtes am Fuß des Geestrandes zur Elbmarsch in Scharnebeck, nordöstlich von Lüneburg und neun Kilometer südlich der Elbe, gebaut. Das erste Schiff passierte das Schiffshebewerk mit der Teilfreigabe des Kanals zwischen der Elbe und dem Hafen Lüneburg am 5. Dezember 1975. Es ist durch mehrere Promenaden gut zu besichtigen und in Verbindung mit dem nahen Museum ein beliebtes Ausflugsziel. Pro Jahr besichtigen etwa 500.000 Besucher das Hebewerk. Obwohl der offizielle Name Schiffshebewerk Lüneburg lautet, wird es lokal Schiffshebewerk Scharnebeck genannt, wegen der Nähe zur Gemeinde Scharnebeck.

Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgebirge

Foto: KOra27/CC BY-SA 4.0

Das Bergbaumuseum Oelsnitz (Erzgebirge) ist ein im ehemaligen Steinkohlenwerk „Karl Liebknecht“ in Oelsnitz ansässiges Montanmuseum. 1967 wurde eine „Konzeption zur Errichtung eines technischen Denkmals mit musealem Charakter über die Entwicklung der Produktivkräfte des Steinkohlenbergbaus der DDR“ beschlossen. Ab 1976 wurde ein Teil der Tagesanlagen zum Bergbaumuseum „Karl-Liebknecht-Schacht“ umgestaltet und am 4. Juli 1986 der Öffentlichkeit übergeben. Im Januar 2018 wurden im Stadtrat Oelsnitz die Pläne für Sanierung und Umbau des Museumskomplexes vorgestellt. Diese sehen vor, in den kommenden Jahren die Gebäude mit Förderturm zu sanieren, ein Eingangsfoyer anzubauen und den gesamten Museumsrundgang einschließlich Flucht- und Rettungsweg neu zu gestalten. Für die Sanierung wurden rund 17 Mio. Euro veranschlagt. Das Museum wird einer der sechs Schauplätze der 4. Sächsischen Landesausstellung 2020 unter dem Leitthema „500 Jahre Industriekultur in Sachsen“ sein.

Freibergsdorfer Hammer (Hammerwerk)

Foto: Dr. Bernd Gross/CC BY-SA 3.0

Der Freibergsdorfer Hammer ist als ehemaliges Hammerwerk ein bedeutender Sachzeuge der protoindustriellen Entwicklung im Erzgebirge. Von den vormals zahlreichen Hammerwerken blieben in Sachsen neben dem Freibergsdorfer Hammer nur drei weitere Anlagen, der Eisenhammer Dorfchemnitz, der Frohnauer Hammer und der „Althammer“ der Saigerhütte Grünthal funktionsfähig erhalten. Das Freibergsdorfer Hammerwerk ist der einzige erhaltene Eisenhammer im Freiberger Bergrevier. Es war zudem das letzte als Produktionsbetrieb genutzte Hammerwerk in Sachsen.

Die Hammeranlagen sind voll funktionstüchtig erhalten. Aus dem etwas oberhalb gelegenen Hammerteich wird ein Hammergraben zugeführt, mit dessen Wasser das hölzerne oberschlächtige Wasserrad mit einem Durchmesser von fast vier Metern beaufschlagt und angetrieben wird. Die achtkantige Hammerwelle aus Eichenholz hat ein Gewicht von etwa 7 Tonnen und eine Länge von 9,5 Metern. Über eiserne Daumen werden drei Schwanzhämmer mit Bären von 250, 200 und 100 kg bewegt.