Stadtgeschichte: Ausgrabungen liefern neue Erkenntnisse

Das Luftbild eines Teils der Grabungsfläche zeigt neben den Mauern von Kellern und Parzellengrenzen auch die dunklen Verfärbungen der hochmittelalterlichen Gruben und Pfostenlöcher. Foto: EggensteinExca, R. Gündchen

Paderborn (lwl/aw). Einen seltenen Einblick in die früheste Stadtgeschichte bieten aktuelle Ausgrabungen in Paderborn. Im Vorfeld von Bauarbeiten graben Archäologen unter der Fachaufsicht des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) innerhalb der Altstadt an der Giersstraße. Neben Grundmauern von Häusern aus dem 17. Jahrhundert stießen sie auch auf die Spuren von deutlich älteren Gebäuden aus dem 8. bis 11. Jahrhundert – die Frühphase der Stadt. Darüber hinaus fanden die Forscherinnen unterhalb der mittelalterlichen Schichten unerwartete Überreste aus der Eisenzeit, die über 2.000 Jahre zurückreichen.

Direkt unter dem Asphalt stießen die Archäologen auf Mauerreste. Die Mauern gehören zu einem vollständig erhaltenen Keller aus dem 17. Jahrhundert. Schriftliche Quellen belegen, dass der Keller im Laufe der Zeit verschiedene Funktionen besaß. Spätestens seit dem Jahr 1800 wurde hier Bier gebraut. Die Brauerei entwickelte sich zu einer Gaststätte, die bis in die Vorkriegszeit bestand. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bomben das Gebäude. Im Umfeld des Hauses fanden die Forscher Latrinen, Abfallgruben und Brunnen – die typischen Einrichtungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Städte. „Trotz schriftlicher Quellen sind solche Ausgrabungen wichtig, denn nur so können wir die Rekonstruktion des frühen Stadtbildes weiter vervollständigen“, erläutert LWL-Archäologin Dr. Sveva Gai.

Zwischen diesen Spuren der jüngeren Vergangenheit entdeckten die Archäologen auch Zeugnisse aus der Entstehungszeit Paderborns, in der die Menschen ihre Häuser noch aus Holz bauten. Davon zeugen zahlreiche Pfostenlöcher aus dem frühen Mittelalter. Eine andere beliebte Hausform waren die sogenannten Grubenhäuser, von denen bis heute verfüllte Gruben zurückbleiben. In solchen Häusern wurde vornehmlich Handwerk betrieben. Besonders für die Herstellung von Textilien waren diese Gebäude geeignet, da sich durch die hohe Luftfeuchtigkeit im Inneren Wolle und Garn leichter verarbeiten ließen. Daneben wurden aber auch viele Gruben entdeckt, die wahrscheinlich zur Vorratshaltung oder zur Abfallentsorgung gedient haben. Die Fachleute datieren die Gruben anhand von Keramikscherben in die Zeit vom 8. bis 11. Jahrhundert.

„Wir sind hier in der glücklichen Situation, lückenlos mehrere Phasen der Stadtentwicklung zu dokumentieren“, so Gai. „Das ist eine besondere Gelegenheit, die nur Ausgrabungen in einem Stadtkern bieten.“ Darüber hinaus stießen die Archäologen auf noch ältere Spuren: Zu ihrer Überraschung fanden sie unterhalb der mittelalterlichen Bebauung über 2.000 Jahre alte Überreste aus der Eisenzeit. Eigentlich dachten die Wissenschaftler, dass sie nach den mittelalterlichen Schichten auf den natürlich gewachsenen Boden gestoßen seien. „Wir haben sicherheitshalber noch eine Probegrabung durchgeführt und dabei die eisenzeitlichen Scherben gefunden“, erklärt Grabungsleiter Ralf Mahytka. Bislang zeichnen sich ein Graben und mehrere Gruben ab. „Näheres zu den eisenzeitlichen Funden können wir erst dann sagen, wenn wir die mittelalterlichen Phasen ausgegraben und dokumentiert haben“, so Mahytka.

Die archäologischen Untersuchungen betreffen einen Hinterhof an der Giersstraße. Die Fläche wurde bislang vor allem als Parkplatz genutzt und hat unter dem Asphalt ein Stück Paderborner Stadtgeschichte bewahrt. Anlass für die wissenschaftliche Untersuchung ist der geplante Bau eines Mehrfamilienhauses für das angrenzende Alten- und Pflegeheim, das von der Stiftung Westphalenhof getragen wird. „Wir sind glücklich über die gute Zusammenarbeit mit dem Investor und dem Westphalenhof“, freut sich Gai.