
Hannover (aw). Nach beinahe 20-jährigem Leerstand, zahlreichen Einbrüchen, Vandalismus, Brandstiftungen und ähnlichen Querelen gibt es nun endlich eine gute Nachricht bezüglich des niederländischen Pavillons auf dem ehemaligen Areal der EXPO2000 in Hannover. Über die Jahre wurde viel geredet, spekuliert, geplant und visioniert – passiert ist jedoch nicht viel. Im Gegenteil! Das wunderbare Relikt der früheren Weltausstellung glänzte nur mit Negativschlagzeilen. Dabei war der „Holländer“, der von MVRDV – einem niederländischen Architekturbüro – errichtete niederländische Pavillon, ein beliebtes Ausflugsziel und galt als Wahrzeichen der Weltausstellung.
MVRDV enthüllte jetzt den Entwurf zur Umgestaltung eines ihrer eigenen wegweisenden Projekte aus den Anfangsjahren des Unternehmens, den niederländischen Pavillon auf der Weltausstellung 2000 in Hannover. Im Zuge der Umgestaltung wird der ehemalige Expo-Pavillon in ein vielgestaltiges Bürogebäude umgewandelt. Auf dem den Pavillon umgebenden Gelände werden zwei neue Gebäude hinzugefügt, von denen Eines Wohnflächen für Studierende und das Andere Büros und Parkplätze beherbergen wird. Der Entwurf von MVRDV behält die Qualitäten bei, die den Pavillon zu einer Ikone der Weltausstellung 2000 gemacht haben, und greift das ursprüngliche Konzept der gestapelten Landsschaften in den beiden neuen Gebäude auf.
Der Entwurf des ursprünglichen Pavillons für die Expo 2000 war eine Antwort auf das niederländische Thema der Expo, „Holland Creates Space“. Anstatt das gesamte Gelände zu bebauen, wurden auf einem Teil des Geländes sechs holländische Landschaften zu einem Turm gestapelt, während der Rest des Geländes zu einem offenen Außenraum innerhalb des Expogeländes wurde. Der Pavillon stahl die Schau; für ein Land, das durch Raumknappheit definiert ist, vermittelte der Pavillon die befreiende Botschaft, dass Raum künstlich geschaffen und vertikal gestapelt werden kann. Er wurde zu einer Schlüsselreferenz für nachhaltiges Design, indem er das Ideal eines Gebäudes als ein in sich geschlossenes Ökosystem darstellte, das die Natur einbezieht und seine eigenen internen Ressourcenkreisläufe erzeugt.

Das aktuelle Projekt behält dieses Konzept der „gestapelten Landschaft“ bei: das bestehende Gebäude wird renoviert und zwei abgetreppte Gebäude am Rande des ursprünglichen Geländes werden hinzufügt. Der renovierte Pavillon wird Gastronomie, Büros und Besprechungsräume als Co-working Space beherbergen, wobei besonderer Wert darauf gelegt wird, die Merkmale des ursprünglichen Entwurfs beizubehalten. So wird zum Beispiel der erste Stock, der ursprünglich eine Reihe von Gewächshäusern enthielt, seine strikt geradlinige Anordnung als Büro beibehalten, während die „Blumentöpfe“ im zweiten Stock verglast und in Meeting- und Büroräume umgewandelt werden. Weitere Merkmale, die beibehalten werden, sind die Waldebene und die Außentreppen; die ebenerdigen „Dünen“ werden als Treffpunkt mit kleinen Cafés und Ausstellungsbereich eingerichtet und die Dachkuppel behält seine ursprüngliche Funktion als neues Fast-Casual-Restaurant. Wo im Pavillion neue Fassaden erforderlich sind, um den Pavillon zu umschließen, wird hochtransparentes Glas verwendet, um den offenen und transparenten Charakter des Entwurfs beizubehalten.
Die beiden neuen Gebäude fügen Studentenwohnungen (im größeren Gebäude) mit Büros und Parkplätzen (im kleineren Gebäude) hinzu. Diese bilden entlang der Grundstücksgrenzen einen Block, der sich zum gemeinsamen Vorplatz hin abtreppen und eine Eingangssituation im Westen des Grundstückes definiert und Zugang zum begrünten Innenhof in der Mitte des Ensembles bietet. In Anlehnung an das Konzept der gestapelten Landschaften werden die Dächer der neuen Gebäude eine Reihe von farbig gestalteten Terrassen bilden, die den Nutzern auf jeder Terrasse eine andere Funktion bieten, von Gärten und Sportanlagen bis hin zu Lernbereichen und einem Kino. Diese Terrassen sind durch ein farblich gestaltetes Band miteinander verbunden, das sich über die verschiedenen Ebenen erstreckt und neue Nutzungen und Räume definiert.
Das größere der neuen Gebäude verfügt über neun oberirdische Ebenen mit 370 Micro-Wohnungen für Studierende. Im Untergeschoss befindet sich ein Fahrradparksystem mit mehr als 300 Fahrradstellplätzen. Das kleinere Gebäude besteht aus fünf oberirdischen und einem unterirdischen Geschoss. Die drei oberen Stockwerke beherbergen Büros und Besprechungsräume, während im Untergeschoss und in den ersten zwei Stockwerken Parkplätze sowohl für die Öffentlichkeit als auch für Büronutzer zur Verfügung stehen.
„Es ist für uns eine begeisternde Chance, unser frühes Projekt, an dem wir vor über zwanzig Jahren zum ersten Mal gearbeitet haben, wieder aufzugreifen“, sagt MVRDV-Gründungspartner Jacob van Rijs. „Der ursprüngliche Entwurf war sicherlich ein einzigartiger Entwurf für einen ungewöhnlichen Zweck, aber eines der schönen Merkmale an diesem Objekt ist, dass seine Kernstruktur mit hohen Decken und offenen Räumen in hohem Maße wiederverwendbar ist. Dank dieser Eigenschaften sind wir in der Lage, das Gebäude in eine funktionale Büroumgebung umzuwandeln, die jedoch die einzigartigen experimentellen Merkmale des Expo-Pavillons beibehält.“
Diese neue Phase der Geschichte des Expo-Pavillons baut auf dem Ruf des Gebäudes als wichtige Referenz für nachhaltige Architektur auf. Die Waldebene bleibt nicht nur ein richtungsweisendes Beispiel für das Integrieren von Landschaftselementen in die gebaute Umgebung, sondern wird auch zu einem Showcase für die Wiederverwendung bestehender Strukturen. Das Projekt zeigt, wie Architektur offen, adaptiv und mit Blick auf zukünftige Anpassungen und Veränderungen entworfen werden kann.
Die Renovierung des ursprünglichen Pavillons hat lange auf sich warten lassen, da alle früheren Initiativen – und es gab zahlreiche – scheiterten. Doch mit der Erweiterung der Stadt wird das Gebiet, das einst am Rande lag, immer aktiver und bevölkerungsreicher, was neue Entwicklungen möglich macht. Das Bauwerk selbst war 20 Jahre lang den Witterungen ausgesetzt und wurde zu einer Ruine – wenn auch in einem bemerkenswerten baulichen Zustand. Der Wald im 3. Stock wuchs von selbst weiter. Während dieser Zeit spielte die Stadt Hannover eine entscheidende unterstützende Rolle beim Erhalt des Pavillons als eines der wenigen verbliebenen Schlüsselbauwerke der Weltausstellung. Nun erweist sich das Holland Creates Space-Konzept, bei dem der größte Teil des Geländes während der Expo unbebaut blieb, als ein Schlüsselelement für die Neuentwicklung. Ohne die zusätzlichen Einnahmen aus den effizienten Neubauten wäre die Renovierung des „ineffizienten“ Pavillons nicht möglich gewesen.
Die Renovierung des Expo-Pavillons und die beiden Neubauten werden von iLive Expo Campus durchgeführt, einem Joint Venture zwischen dem Immobilienentwickler Die Wohnkompanie Nord und dem Entwickler und Betreiber von Mikro-Wohnungen iLive. MVRDV arbeitet bei beiden Projekten ganzheitlich mit der Projektkoordination für den Expo-Pavillon durch Die Wohnkompanie Nord und für die Neubauten durch die AI+P Planungs GmbH.